6 SCHWERPUNKT Mit gerade einmal 20 Jahren hat Clara Bacher (r.) die Ortsstellenleitung in Kirchberg an der Raab übernommen. Michael Lutterschmied Heldinnen für die Menschlichkeit 13.000 Frauen engagieren sich österreichweit im Rettungsdienst – deutlich mehr als noch vor zehn Jahren. Warum der Einsatz im Roten Kreuz längst keine reine Männersache mehr ist. E in Notruf geht bei der Rotkreuz-Leitstelle in Sankt Pölten ein: Autounfall auf der A1, eine Person ist schwer verletzt. Zehn Minuten später treffen die Rettungskräfte an der Unfallstelle ein und leisten lebensrettende Hilfe. Mussten Sie jetzt an mehrere Männer denken? 35 Prozent aller freiwilligen und hauptberuflichen Rettungsdienst- Mitarbeitenden im Jahr 2023 waren Frauen. Knapp 13.000 sind es an der Zahl. Vor zehn Jahren lag der Anteil der Rettungsdienst-Mitarbeiterinnen noch bei 28 Prozent. Die Zukunft ist weiblich, auch in Einsatzorganisationen wie dem Roten Kreuz – und die Arbeit im Rettungsdienst ist längst keine reine Männersache mehr. Ein Beispiel dafür ist die 21-jährige Clara Bacher aus der Südoststeiermark. Seit Anfang des Jahres leitet sie die Ortsstelle Kirchberg an der Raab und ist damit die bisher jüngste Ortsstellenleiterin im Roten Kreuz Steiermark. Dabei blickt die junge Frau schon auf zehn Jahre Rotkreuz-Erfahrung zurück. Bereits in der Volksschule war für Bacher klar: „Ich gehe zum Jugendrotkreuz.“ Mit dieser Entschlossenheit stellte sie sich auch der Wahl im Frühjahr 2024 und wurde von den 66 ehrenamtlichen Mitgliedern zur Ortsstellen-Chefin ernannt. Bei manchen Kollegen sorgte die Wahl für Verwunderung. „Was, das junge Mädel soll die neue Chefin werden?“, fragte ein ehemaliger Mitarbeiter der Ortsstelle erstaunt. Frauen sichtbar machen Clara Bacher lacht, wenn sie diese Geschichte erzählt. „Sie sehen ein junges Mädel mit blonden Haaren und denken sich, das kann nix werden. Ich überrasche die Leute dann gerne und zeige ihnen, was ich draufhabe“, sagt sie. Das ist so einiges: Sie ist Führungskraft, Lehrbeauftragte, Jugendgruppenleiterin, Rettungssanitäterin und First Responderin – bei dieser Menge an Fähigkeiten überrascht das Wahlergebnis kaum. Warum sie sich der Herausforderung überhaupt stellen wollte? „Ich möchte für junge Frauen ein Vorbild sein und Rollenklischees sprengen.“ Dass Frauen nicht länger im Hintergrund stehen, hat sich die Ortsstellenleiterin daher auf ihre Agenda geschrieben. „Es geht darum, die Frauen im Rettungsdienst sichtbar zu machen. Sie zu motivieren, Verantwortung zu übernehmen“, so Bacher. Sie selbst hat sich getraut. „Wieso sollen wir Frauen das nicht können?“ mein Rotes Kreuz | November 2024
7 Der Einsatz im Rettungsdienst ist längst keine reine Männersache mehr. Fotos: ÖRK/LV OÖ/Matthias Schaffer, ÖRK/Markus Hechenberger Wichtig ist, nicht schüchtern zu sein, sich bemerkbar zu machen. MONIKA STICKLER Die Mischung macht’s Clara Bacher ist eine von Tausenden Frauen, die den Rettungsdienst in Österreich prägen. Für Monika Stickler ist sie ein Role Model für andere Frauen: „Nur nicht schüchtern sein, ihr könnt das!“ Die gebürtige Niederösterreicherin ist seit mehr als 30 Jahren beim Roten Kreuz tätig und seit 2020 stellvertretende Bundesrettungskommandantin. Auf ihrem Weg fehlte es lange Zeit an weiblichen Vorbildern, aber: „Ich habe mich nicht abwimmeln lassen“, schmunzelt sie. Wichtig sei, auf sich aufmerksam zu machen, so Stickler. Wer nicht selbst aktiv werde, werde leider oft übersehen. Ihr Tipp: „In der Regel gibt es genügend Frauen im Umfeld, die einen unterstützen. Nutzt dieses Netzwerk der Frauen. Lernt voneinander, helft euch gegenseitig, ermutigt Kolleginnen auf ihrem Weg in Führungspositionen!“ Aus langjähriger Erfahrung weiß Monika Stickler heute, dass der Rettungsdienst ein besserer wird, wenn Frauen und Männer gemeinsam an- packen. Denn: „Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass zumindest eine Person aus dem Team einen besseren Draht zu den Patientinnen und Patienten aufbauen kann. Außerdem sind manche Einsätze emotional sehr belastend und Frauen scheinen sich noch immer leichter zu tun, darüber zu reden. Das hilft auch vielen männlichen Kollegen, sich zu öffnen.“ Warum ausgerechnet Rettungsdienst? Jetzt braucht es laut Stick ler vor allem eines: mehr Frauen, die wie Clara Bacher Verantwortung und eine Führungsrolle übernehmen. Monika Stickler weiß aus Erfahrung, dass der Rettungsdienst besser wird, wenn Männer und Frauen zusammenarbeiten. Warum überhaupt den Schritt zum Rettungsdienst wagen? „Weil es kaum eine interessantere und erfüllendere Tätigkeit gibt, man mit unterschiedlichsten Menschen in Kontakt kommt, verschiedene Lebenswelten kennenlernt. Und weil die Arbeit im Team Spaß macht“, so Stickler. Das „Helfer-Gen“ hat die langjährige Notfallsanitäterin auch an ihre Tochter weitergegeben. Ihr und zahlreichen anderen jungen Frauen fehlt es jedenfalls nicht an weiblichen Vorbildern. B Weltweite Bewegung – weiblich geführt Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung ist ein globales humanitäres Netzwerk aus 80 Millionen Menschen. Die Bewegung umfasst das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) sowie 191 nationale Gesellschaften wie das Österreichische Rote Kreuz. Sie alle sind durch gemeinsame Grundsätze und Ziele verbunden. Dabei setzen sowohl IKRK als auch IFRC ihre Aufgaben unter weiblicher Führung um. Kate Forbes wurde 2023 an die Spitze der Föderation gewählt, Mirjana Spoljaric Egger übernahm 2022 die Präsidentschaft beim IKRK – als erste Frau seit der Gründung im Jahre 1863. Beide beweisen, dass Humanismus keine Frage des Geschlechts ist. Alle im Rotkreuz-Verbund tätigen Menschen haben die gleichen Rechte und helfen Menschen in Not, unabhägig davon, ob es sich um Männer, Frauen oder Kinder handelt. Mirjana Spoljaric Egger ist die erste Frau an der Spitze des IKRK. mein Rotes Kreuz | November 2024 IKRK
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